Brauchtum von der Erntezeit bis Allerheiligen

Im Herbst, während der Erntezeit und über Allerheiligen hinaus, gab es auch bei uns manches Brauchtum, das sich teils erhalten hat und teils schon vergessen wurde.

In Mittersthal war es üblich, den Letzten beim Dreschen „den Alten anzuhängen". Dazu banden die Jugendlichen zwei Stecken kreuzförmig zusammen und umwickelten diese mit Stroh. Dieser Form wurde eine Hose angezogen, ein Rock umgehängt und ein Hut aufgesetzt. Der mutigste der Buben musste nun versuchen diesen „Alten" von hinten auf die Dreschmaschine oder wenigstens in die Scheune zu werfen, ohne dass er dabei erwischt wurde. Der Bauer und seine Helfer passten natürlich sehr gut auf und es ging demjenigen schlecht, der beim „Alten werfen" erwischt wurde. Die Arme wurden ihm auf den Rücken gebunden, sein Gesicht mit Wagenschmiere, Öl und Ruß geschwärzt. Zum Schluss bekam er noch den „Alten" auf den Rücken geknotet und so ließ man ihn laufen. Der bestrafte „Altenwerfer" benötigte jetzt Helfer, die ihn aus seiner misslichen Lage befreiten.

Im Oktober stehen und standen das Erntedankfest und die Allerweltskirchweih im Mittelpunkt. Zum Erntedank wurde die Kirche mit einem Getreidekranz geschmückt und die Feld- und Gartenfrüchte um den Altar geschichtet. In den Familien gab es Weizenkücheln, auch war es 1950 Brauch, dass an diesem Tag die Traktorenweihe stattfand. Die Allerweltskirwa entstand dadurch, dass 1866 die Obrigkeit dem Volk verbot den jeweiligen Jahrestag der Kirchenweihe zu feiern, um das viele „Kirchweihlaufen" zu unterbinden. Stattdessen wurde nun ein Kirchweihtag für alle eingeführt, was im Laufe der Jahre dazu führte, dass viele Gemeinden zweimal jährlich Kirchweih feierten. Verbunden mit diesen Festen ist auch das Schlachten und das zugehörige Wurstfahren. Verkleidete junge Leute betraten ohne Gruß das Haus, in dem gerade geschlachtet wurde. Einer spielte die Mundharmonika, meist gefolgt von einer Teufelsgeige, die anderen Kostümierten tanzten in der Stube herum. Das war die Aufforderung an die Hausfrau einige frische Würste zu spendieren. Ohne Gruß und Dank verschwanden die Besucher wieder, gesprochen wurde nämlich beim Wurstfahren nicht. Manche Wurstfahrer gaben sich zu später Stunde auch selbst zu erkennen und feierten und schmausten mit der Gastfamilie bis in die Nacht hinein.

An Allerheiligen und Allerseelen gedachte man in erster Linie der verstorbenen Angehörigen und besuchte die reich geschmückten Gräber der Verstorbenen.

Allerseelen war früher noch ein Feiertag in Bayern, und wurde allgemein als „Spitzldoch" bezeichnet. An diesem Tag war es Brauch, dass die Kinder von ihren Paten einen Seelenwecken oder ein Allerseelenspitzl bekamen. Den Mädchen und den Mägden schenkte man außerdem ein Wachsstöckl. Geweihtes Wachs wurde beim Grabbesuch und beim gemeinsamen Gebet daheim, an diesen Tagen viel verbrannt. Um 1950 gingen die Kinder des Dorfes noch von Haus zu Haus und baten:"Gelobt sei Jesus Christus um a Spitzl". Das „Vergelts Gott" danach, sollte den Verstorbenen des Hauses gehören und sie aus dem Fegefeuer erlösen. Am Allerseelentag gab es in vielen Wirtshäusern für die Stammgäste eine Maß Freibier, die sogenannte Allerseelenmaß. Statt des üblichen „Prost" wurde „Vergelts Gott für die Armen Seelen" gesprochen. Am Abend des Allerseelentages aß man die Semmelmilch, frisch gebackene Semmeln in Milch eingebrockt und mit Zucker und Mohn bestreut.

Gerade das Allerheiligenbrauchtum zeigt, dass auch alt Überliefertes in unserer Heimat teilweise immer noch praktiziert wird und somit lebendig ist.

Berta Wienziers

  • Dreschen Josefsheim 1950

  • Wachsstöckl

  • Hausschlachtung